Hohe Welle an auslaufenden Zertifikaten nach MDR in 2023 und 2024 erwartet
Der europäische Zusammenschluss von Benannten Stellen für Medizinprodukte, Team NB, hat eine Umfrage unter den angeschlossenen Institutionen veröffentlicht. In den Ergebnissen wird u. a. deutlich, dass die Anzahl der in 2020 ausgestellten Zertifikate nach MDR und IVDR sehr gering ist. Auf die Benannten Stellen rollt nun jedoch eine Welle von auslaufenden MDD-Zertifikaten zu, die sich in den kommenden Jahren aufbauen und spätestens 2024 mit fast 10.000 auslaufenden Zertifikaten über die Benannten Stellen hereinbrechen wird.
In einem Interview stellte Michael Bothe, Co-Leiter des Benannten Stelle DQS Medizinprodukte GmbH dar, dass die Hersteller die Übergangsfrist bis Mai 2024, soweit es geht, nutzen. Somit wird ein großer Teil der Richtlinienzertifikate vor dem 26. Mai 2021 nochmal verlängert werden und bis Mai 2024 gültig sein. Dadurch wird ab Mitte 2023 eine große Bugwelle an MDR-Zertifizierungen auf die Benannten Stellen zurollen, allerdings können die bisher nach den neuen Richtlinien zertifizierten Benannten Stellen dies nicht bewältigen, selbst wenn bis dahin noch einige zusätzliche Organisationen benannt werden.
Dabei spielt der Mangel an entsprechenden Fachkräften eine große Rolle. Bothe zeigte im Interview auf, dass im Rahmen der Zertifizierung der Nachweis darüber erfolgen musste, sowohl Auditoren für Qualitätsmanagementsysteme als auch Produktaktenprüfer in ausreichender Zahl und mit dem richtigen Fachspektrum zur Verfügung stehen. Die Anforderungen an die Prüfung der Technischen Dokumentation und damit der Produktakten ist durch die MDR erheblich gestiegen. Insbesondere für die Produktaktenprüfer, die mindestens zwei Jahre einschlägige Erfahrung oder fünf geprüfte Produktakten unter der MDD innerhalb von zwei Jahren nachweisen müssen, wurden daher interne Schulungen zu mehr als 600 Normen im Rahmen von über 100 Webinaren in drei Leveln durchgeführt.
Dennoch muss der Mangel an Benannten Stellen differenziert betrachtet werden. Benannte Stellen decken ein unterschiedliches Fachspektrum ab. Es ist ein Unterschied, ob man ausschließlich Qualitätsmanagementsysteme zertifiziert und Produktakten prüft oder als Vollsortimenter auch noch Baumusterprüfungen anbietet und auch dadurch unterscheiden sich Kosten für Personal und technische Infrastruktur erheblich.
Bothe gibt im Interview an, dass die Durchführung von vor-Ort-Audits durch die Pandemie deutlich erschwert ist. Dies betrifft vor allem Erst-Zertifizierungen, welche auch weiterhin nicht Remote durchgeführt werden, also in einem Online-Verfahren. Eine weitere Herausforderung stellen die Normen dar. Aktuell liegen weder harmonisierte Normen noch die in der MDR angekündigten Common Specifications vor. Somit entstehen große Unsicherheiten bei Herstellern und Benannten Stellen.
Um eine möglichst reibungslose Umsetzung der MDR umzusetzen ist es notwendig die hohe Welle an MDR-Zertifizierungen bis Mai 2024 abzuflachen. Hersteller, die zum ersten Mal in Kontakt mit einer Benannten Stelle treten, werden ggf. zu spät sein und dadurch wenig Chancen haben ein entsprechendes Zeitfenster für die Prüfung der eigenen Produkte in der kontaktierten Benannten Stelle zu finden. Bothe rät Neu-MDR-Herstellern zeitnah Pilotprojekte zu starten um MDR-Zertifikate für höhere Risikoklassen auf den Weg zu bringen.
Mandat für Standardisierungsauftrag an CEN und CENELEC veröffentlicht
Die Europäische Kommission hat am 14.04.2021 erneut ein Mandat über einen Standardisierungsauftrag an die europäischen Normungsorganisationen CEN und CENELEC veröffentlicht. Die Normungsorganisationen sollen mit den neuen Europäischen Richtlinien MDR und IVDR harmonisierte Normen erarbeiten. CEN und CENELEC haben einen Monat Zeit, um über Annahme oder Ablehnung des Auftrags zu entscheiden. Da in der Vergangenheit bereits ein solcher Auftrag abgelehnt wurde, ist ungewiss, wie die Entscheidung ausfallen wird.
Verordnung zu wesentlichen Änderungen an nationalen Gesetzen veröffentlicht
Die Medizinprodukte-EU-Anpassungsverordnung wurde im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Sie regelt verschiedene Änderungen an sowie das Außerkrafttreten von verschiedenen nationalen Gesetzen aufgrund des Geltungsbeginns der MDR.
Quelle: Newsletter VDE ///Auszug aus Interview